Zusammenstellung von über 60 Feldpostbriefen meines Großvaters und seiner beiden Brüder an ihre Mutter mit Gedichten meines Onkels Günter. Ich habe die Briefe zeitlich sortiert und abgeschrieben. Entstanden ist ein Manuskript, das 100 Seiten umfasst.
Vorwort (Auszug)
Ein kleines Kistchen mit vergilbten Briefen im Hause meiner Großeltern hat mich schon als Kind in den Bann gezogen. Diese Briefe wirkten geheimnisvoll und hatten mich neugierig gemacht.
Aber ich traute mich nicht in den Sachen meiner Großeltern zu stöbern. Einmal konnte ich der Versuchung dann doch nicht widerstehen und untersuchte einen dieser geheimnisvollen Umschläge mit der Aufschrift: Feldpost. Ich zog ein vergilbtes Stück Papier hervor. Es war bis an den Rand mit einer winzigen Handschrift versehen, welche ich nicht zu entschlüsseln vermochte. Enttäuscht steckte ich den Brief in den Umschlag zurück, ohne dessen Inhalt erfasst zu haben.
Nach dem Tode meiner Großeltern wurde die Wohnung aufgelöst. Noch heute kann ich mich an jeden Winkel erinnern, von der Speisekammer über den Schrank mit den Gummibärchen bis hin zum Papierkeller unter der Druckerei. Die Kiste mit den Briefen stand in einem dunkelbraunen Schränkchen neben dem Schreibtisch im vorderen Zimmer. In diesem Zimmer übernachtete ich immer mit meiner Schwester, wenn wir zu Besuch waren.
Nun existieren alle die wunderbar spannenden Dinge der Vergangenheit nur noch in meinem Kopf. Und meine Großeltern kann ich auch nicht mehr über Früher befragen, über die alten Zeiten, auch über den Krieg. Gerne hätte ich sie gefragt, wie sie diese schweren Zeiten verbracht haben und wie sie selbst damals gedacht hatten. Meine Mutter war ja zu dieser Zeit selbst noch ein Kind. Was sie mir erzählen konnte, hat sie mir immer gerne berichtet. Bei ihr im Keller fand ich vor wenigen Wochen beim Aufräumen ein kleines Kistchen mit zahlreichen Briefen. Ich durfte die Schachtel an mich nehmen und begann in einer ruhigen Minute, die Briefe zu studieren.
Anfangs musste ich mich noch sehr mühen, die Schrift zu entziffern. Doch dann gelang es mir immer besser. Die Briefe zogen mich immer mehr in ihren Bann. Ich bemerkte, dass sie aus der Feder der drei Schröder-Brüder stammten. Von Onkel Theo, Onkel Franz und meinem Opa Willi. Gerichtet waren die Briefe mit wenigen Ausnahmen immer an ihre Mutter. Sie war der Mittelpunkt.
Gefesselt von der Lektüre und im Drang, wissen zu wollen wie es weiter ging, fing ich an, die Briefe zeitlich zu sortieren. Ich hatte einen regelrechten Fortsetzungsroman vor mir. Außerdem begann ich auch zeitgleich, die Briefe abzutippen. Da ich ja sowieso schon dabei war, die Schrift zu entziffern, wollte ich den verstandenen Text nicht mehr „verlieren“. Ich durchlebte Höhen und Tiefen. Ich erlebte große Hochachtung und auch Enttäuschung. Mit welcher Zuversicht sie ihren Dienst im Krieg taten: „…trösten wir uns mit allen anderen Millionen von Menschen. Die Hauptsache ist die bessere Zukunft unserer Kinder.“ (Theo, 25.6.41). Mit welcher Bescheidenheit sie die Sendung von Essenpaketen ablehnten: „…ich weiß, wie gern Du es mir geschickt hast, doch solche Sachen geb den Kindern, die können es besser brauchen als ich.“ (Theo an Päule, 17.7.41). Enttäuscht war ich dann, wenn ich in der Art, wie sie über den Feind schrieben, merken musste, wie sehr auch sie durch die Propaganda des Systems geblendet waren.
Ich bin in eine andere Zeit getaucht und trotzdem kann ich vieles von ihnen lernen, denn viele Fragen sind auch für uns heute aktuell. Wie gehen wir mit Ausnahmesituationen in unserem Leben um, wann sollte ich meine Bedürfnisse zurückstellen zugunsten meiner Mitmenschen? Fragen nach dem eigenen Tod oder der Zukunft müssen wir uns im Alltag selten stellen, da es uns gut geht. Sich trotzdem damit auseinanderzusetzen bereichert aber auch unser Leben.
Dies Kistchen steckt voller Leben: Lebensgeschichten, Tröster und Mut-Macher, Ehrfurcht und Dankbarkeit, Trauer, Trennungsschmerz, Wut, Ungewissheit und Überlebenswillen.
Besonders berührend an den vorliegenden Briefen ist die Verbindung zum Elternhaus, insbesondere zur Mutter Elisabeth. Alle drei Brüder hatten bereits eigene Familien, mit denen sie selbstverständlich auch in regem brieflichen Kontakt standen. Ich erlebte hier das Kriegsgeschehen aus Briefen, die sich an eine sorgende Mutter richteten. Alle ihre 3 Söhne waren als Soldaten eingesetzt, jeder mit einer anderen Aufgabe und an einem anderen Ort. Alle drei sind aus dem Krieg zurückgekehrt.
Nun möchte ich enden mit einer Grußformel aus den Briefen: Für heute meine herzlichen Grüße an Dich und Alle!
Marion Musch, Februar 2014
Im fremden Lande hinter Stacheldraht,
liegt ganz traurig ein Soldat.
Der Krieg ist aus, die blut`ge Schlacht,
auch die Stunden, die ich gewacht.Die Sonne brennt so heiß, der Himmel ist blau,
alles ist klar, nur die Zukunft ist grau.
Ich denke an Haus, an die Lieben daheim,
ob sie wohl alle beisammen sein?Ihr Wolken sagt mir, was Ihr wisst,
Ob mein Vater am Leben ist?
Ob unser Haus den Sturm überstand?
Ob meine Mutter den Schmerz überwand?Sind meine Geschwister gut untergebracht?
oder umnebelt sie bitter die Nacht?
Und meiner Großeltern gutes Herz,
zerbrach es nicht in diesem Schmerz?Ich frage Euch Schwalben, ob Ihr`s wisst,
wo jetzt zur Zeit meine Heimat ist.
Fliegt zur Mutter und tut ihr`s kund,
dass ich in Frankreich bin, und gesund.Rot sah ich die Sonne untergehn,
rot wird sie wieder im Osten stehn,
genau so schön beginnt auch der Tag,
an dem dann aufhört diese Plag.Auszug aus: „Das Los des P. o. W.“ von Günter Schröder aus einem Kinderlager in französischer Gefangenschaft.